Mann hab ich inzwischen aus dem Krankenhaus abgeholt, die OP hat ihn sehr geschlaucht. Die OP war aber vermutlich unnötig – wie wir im Nachhinein erfahren haben. Die Spurensuche geht weiter. Hätte man uns vorher gesagt, dass die OP vermutlich nicht hilft, hätten wir uns das erstmal gespart. Aber diese Info haben wir erst bekommen, als Mann wieder aus der Narkose aufgewacht ist.
Alles sehr mysteriös, denn für den Aufschneiderarzt im Krankenhaus war das wohl von vornherein klar, dass das eher nicht helfen wird – die behandelnden Internisten, Orthopäden und Allgemeinmediziner haben das die letzten Monate und Jahre anders gesehen.
Die zweite Stunde des Schnupperkurses war mindestens so interessant wie die erste. Es waren dieselben sechs Leute da, wie beim ersten Mal. Bei dem Mädel mit den Schnittwunden Gott sei Dank keine neuen Schnitte. Sie und ihre beste Freundin waren wieder sehr motiviert. Die beiden sind total lustig, die machen mir Spaß!!!
Wirklich spannend war aber Adam. Der Junge mit der Behinderung. Diesmal von seiner Mutter gebracht. Einerseits will er wohl hin, andererseits verweigert er sehr viel. Als seine Mutter jedoch spazieren ging, hat er ein paar Sachen mitgemacht. Ich weiß nicht so genau, wie ich mit ihm umgehen soll. Nicht wegen seiner Behinderung, sondern weil er einfach sehr schwierig im Umgang ist. Er kommt. Steht dann mit verschränkten Armen im Eck. Man muss ihn um jede Sache betteln, dass es das mal versucht. Standartantwort ist „das kann ich nicht“.
Ich hab dann deutlich gemacht, dass er das nicht von vornherein können kann, sondern lernen muss, wenn er es können möchte. Wer kann denn schon von vornherein alles? Jeder von uns musste essen, trinken Klogehen lernen. Genauso wie lesen und schreiben und laufen. Wieso um alles in der Welt soll er dann ohne Übung den Kampfsport, den ich unterrichte, beherrschen? Ich weiß nicht, ob etwas davon zu ihm durchgedrungen ist.
Es ist eigentlich Usus im Budo, dass der Schüler dem Unterrichtenden vertraut, und das versucht zu tun, was ihm gesagt oder gezeigt wird (in gewissem Rahmen, natürlich). Gleichzeitig hat der Unterrichtende die Verpflichtung und die Aufgabe, den Schülern nur Anweisungen zu geben, die sie auch umsetzen können. Eigentlich nicht viel anders als im Fußballtraining. Mir fehlt dieses Vertrauen in mich bei Adam. Natürlich muss man sich Vertrauen verdienen, nur wie soll ich das tun, wenn ich keine Chance bekomme?
Der dritte Kursabend.
Meine Gedanken nach dem letzten Abend waren umsonst. Es waren diesmal nur 4 Personen da, Adam und Luisa haben gefehlt. Jetzt weiß ich nicht – war meine Ansprache zum Thema „Der Mensch muss lernen, wenn er was können möchte“ ein Anlass, mir beleidigt zu sein? Ich hab niemanden angegriffen damit, so bin ich nicht. Wenn er damit nicht umgehen kann, dass er fair, aber nicht überbetüttelt behandelt wird, muss er das lernen (schon wieder -lernen-). Ob er das hier in dem Kurs macht, oder wann anders – lernen wird ers müssen. Luisa hat letzte Woche schon angedeutet, dass sie diesmal vielleicht nicht kommen kann. Omas Geburtstag.
Die 4 noch anwesenden Teilnehmer waren wieder total motiviert und voll süß.
„Hallo, ich greife Dich grad an, verteidige Dich!“ „Ach so, hab Dich jetzt nicht so als Bedrohung gesehen!“ „Das hör ich doch immer gerne… aua, das gibt n blauen Fleck!“ „PUSSY!!!!!“
„Du musst mit dem Arm auf den Boden!“ „Machichdoch!“ „Das ist Dein Hintern!“ „Ach, jetzt wo Du s sagst…“ „Wo warst Du in Bio? Dachte, Du sitzt neben mir!“ „Wir machen aber grad Photosynthese!“
„Michaela, halt mich mal vernünftig fest!“ „Aber… meine Fingernägel!“ – Nadine schaltet sich ein: „Halt mal so, dann passiert Deinen Nägeln nix… wie heißtn die Farbe??? Die is ja toll!“
Ich freu mich echt auf Abend 4!
Der Mann hatte Mitte der Woche Geburtstag, wir waren voll edel Steak essen und bummeln. Total schön, denn wir konnten miteinander reden. Oft, im Alltagskrams, spricht man darüber, wer noch schnell Kartoffeln kauft und wer im Gegenzug die Spülmaschine ausräumt. Das tut echt gut, wenn man sich mal wieder auf sich als Personen besinnt.
Er hat eine Uhr bekommen, und das Buch „Nutella hat Lichtschutzfaktor 9,7“ damit er nach der OP was lustiges zu Lesen hat.
chrrr…der Kurs hörst sich ja lustig an:)
Das Buch hat mich jetzt irgendwie neugierig gemacht. Muss ich mal googeln. Oder Du berichtest mal davon, wenn es durchgelesen ist.
Deinem Mann wünsche ich gute Besserung!
Ich werde das Buch auch lesen, wenn er es durch hat – mal gucken!